Hochverrat an Schwenden

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Die Hinrichtung Joachim Ludwig von Seckendorffs am 3. Februar 1642

(auf dem Vorplatz des heutigen Amtsgerichts Salzwedel)

nach der entsprechenden wissenschaftlich recherchierten und mit zahlreichen Nachweisen versehenen Schrift des Professor em. Dr. Heiner Lück, vormals Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in der Festschrift „Lebenswelt und Lebenswirklichkeit des Adels im Ostseeraum“, Hamburg 2009

ohne wissenschaftlichen Anspruch zur Unterhaltung des an Salzwedel und seiner Geschichte interessierten Publikums teilweise eng und teilweise frei nacherzählt durch den Direktor des Amtsgerichts Dr. Klaus Hüttermann

Als Sie diesen QR-Code gescannt haben, befand sich genau in Ihrem Rücken der Ort, an dem am 3. Februar 1642 auf dem Platz vor dem heutigen Amtsgericht – dem damaligen altstädtischen Rathaus –die Hinrichtung des bambergischen Amtmannes und Adeligen Joachim Ludwig von Seckendorff nach einem „kurzen Prozess“ wegen Hochverrates an Schweden stattfand:

Seit dem Tod des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf in der Schlacht von Lützen1632 und schweren Verlusten der Schweden in der Schlacht von Nördlingen1634 kam es zunehmend zu Engpässen bei der Versorgung der schwedischen Armee und vor allem bei der Einlösung der den Offizieren zugesagten Einkünfte und Besitzstände. Die schwedischen Truppen befanden sich in einem schlechten Zustand. Meuterei war an der Tagesordnung.

Zu diesem Zeitpunkt befehligte der aus Franken stammende Freiherr Joachim Ludwig von Seckendorff als Kompaniechef ein in Salzwedel liegendes Reiterregiment der Schweden. Die Schweden hatten sich nach der Schlacht bei Nördlingen nach Norddeutschland zurückgezogen und um Lüneburg herum sowie in der Altmark festgesetzt. Die Stimmung auch im Salzwedeler Quartier war schlecht. Offiziere wandten sich ab und kehrten zu den „Kaiserlichen“ zurück, zumal ihnen durch den Kaiser bei Rückkehr in dessen Dienst Amnestie und Glaubensfreiheit zugesichert, anderenfalls der dauernde Entzug ihrer Besitzungen angedroht wurde. Dem Freiherrn von Seckendorff war bewusst, dass seine fränkischen Besitzungen nach der schweren Niederlage in der Schlacht bei Nördlingen verloren waren. Er wollte sein Vermögen aufbessern und aus diesem Grunde auf die kaiserliche Seite überlaufen.

1641/1642 hatte der neue Oberbefehlshaber der schwedischen Armee, General Lennart Torstensson, in der Vorstadt Perver bei Salzwedel Quartier genommen. Von ihm erbat Seckendorffunter einem Vorwand einen Geleitbrief für seinen Trompeter in der Funktion eines Kuriers. Er erhielt den Paß und gab dem Trompeter drei Briefe mit, die dieser in das Kaiserliche Hauptquartier in Gardelegen in der Altmark bringen sollte. In den Briefen an einen anderen bekannten Deserteur erkundigte er sich nach den Bedingungen für das Überlaufen zu den Kaiserlichen. Offenbar wollte er sich vorher bei den Kaiserlichen rückversichern, dass sich sein Übertritt lohnen würde. Die Musquetierer-Wacht der Schweden kontrollierte den Trompeter, setzte ihn in Apenburg fest und führten ihn dem dort liegenden Grafen Hans Christoph von Königsmarck vor, da ihnen der Paß merkwürdig vorkam. Nach einiger Zeit ließen sie den Trompeter jedoch wieder frei und dieser ritt am 31. Januar 1642 zu Seckendorff zurück. Der begab sich in das schwedische Hauptquartier und beschwerte sich über die Behandlung seines Trompeters. Der Trompeter hatte jedoch die drei Briefe in seinem unfreiwilligen Quartier in Apenburg verloren. Sie waren ihm – ohne dass er dies bemerkt hatte –aus der Pistolentasche gefallen, als sein Pferd scheute. Unterschiedlichen Überlieferungen nach wurden sie durch die Schweden bemerkt, als sie durch einen Hund oder eine Katze aus dem Mist gezogen wurden. Die Briefe wurden umgehend dem schwedischen Oberbefehlshaber Torstensson nach Salzwedel geschickt. Damit war klar – Seckendorff wollte überlaufen. Dieser saß aufgrund seiner Beschwerde gerade mit dem Vertreter des Oberfehlshabers, dem schwedischen Assistenzrat Lars Grubbe, zu Tisch, als ein Rittmeister ihm eine gespannte Pistole und den bloßen Degen auf die Brust setzte, damit er sich gefangen gebe. Er wurde zum Verhör in das Rathaus – das heutige Amtsgericht vor dem Sie geradestehen – gebracht. Schnell stand fest, dass er Schriftwechsel mit dem Feind gepflegt und nach schwedischem Kriegsrecht damit sein Leben verwirkt hatte. Es wurde ein Kriegsgericht einberufen. Dieses bestand ausschließlich aus deutschen Offizieren.Darauf hatte der schwedische Oberbefehlshaber Torstensson bestanden. Seckendorff legte ein Geständnis ab und wurde einstimmig zum Tode verurteilt. Die Briefe als wichtigste Beweisstücke wurden verlesen. Er wurde „zum schwertverurtheilet“. Das Urteil traf ihn hart. Er flehte für seine noch jungen Kinder. Eine Gnadenbitte wurde abgelehnt.

Nach einer Beichte wurde er am nächsten Morgen auf dem Altstädter Markt vor dem Rathaus durch das Schwert hingerichtet. Der Leichnam wurde in das rote Tuch gewickelt, auf dem er zuvor gekniet hatte, und in eines der umliegenden Häuser gebracht, wo noch versucht worden sein soll, den Kopf provisorisch wieder mit dem Rumpf zu verbinden. Dort wurde er auch eingesargt und in die Gruft der grauen Klosterkirche, der heutigen Mönchskirche getragen, wo sich noch heute sein Grabstein befindet.

Der Oberbefehlshaber Torstensson erreichte bei der schwedischen Königin, dass die Witwe des Seckendorff eine Rente erhielt. Ein Kriegskamerad des Vaters sorgte weiter für eine finanzielle Unterstützung der Familie aus Schweden, sodass der älteste Sohn Veit Ludwig ein Studium in Straßburg erfolgreich absolvieren konnte. So erfolgreich übrigens, dass er der Begründer der modernen Verwaltungslehre, ein wichtiger Gelehrter und nicht zuletzt der Gründungskanzler der kurbrandenburg-preußischen Reformuniversität Halle an der Saale wurde.

Und jedes Jahr am Morgen des 3. Februar weht ein besonders kalter Windhauch über den Platz…